1982 - Spectra MS

Das Namenprägende Messsystem der Frühen Jahre der Firmengeschichte

Auch heute noch, nach weit über 30 Jahren, kann ich die initialen Kommandos zur Software-Ansprache der Spectra MS auswendig wiedergeben. Als ich Mitte der 80er Jahre in die damals noch junge Firma Spectra eintrat, stand die Spectra MS, das Gerät, von dem die Firma ihren Namen bezogen hat, als Hauptprodukt im Mittelpunkt aller Geschäftsprozesse.

 

Software-Ansprache als Erfolgsfaktor

Das Kommando-Set des „Modular Multi-Channel Data Acquistion and Control System” beherrschten wir als kleine Gruppe junger Software-Ingenieure aus dem Effeff, denn „Treiber-Software“ lieferte der Hersteller aus England damals noch nicht mit. Vielmehr wurden alle Treiber und Software-Bibliotheken von uns selbst geschrieben, immer adaptiert auf die jeweils anzuschließende Computerplattform. Und die bestand bis in die Mitte der 90er Jahre noch mehrheitlich aus PDP- und VAX Systemen der Firma Digital Equipment. Der IBM-PC, damals selber gerade erst geboren (1981), war in industriellen Anwendungen noch weit von allgemeiner Akzeptanz entfernt.

 

Beeindruckende Messtechnik

Messtechnisch hatte die Spectra MS einiges zu bieten. Die hohe Präzision und vor allem die hohe Robustheit gegen Störeinflüsse wurden erreicht mittels High-Precision Amplifier, 16-bit ADC inkl. Programmable Integration („nimm 20ms, dann hast Du schon mal den 50Hz Netzbrumm ganz gut im Griff…“) eigenem isolierten Daten- und Steuerbus sowie handverlesenen Bauteilen mit extrem geringer Temperatur- und Langzeitdrift.

 

Investition in Qualität

Die hochwertige Ausstattung machte das Gerät nicht gerade billig. So wurde für ein Komplettpaket mit Basis-Frame, Single-Board-Computer inkl. RS-232 Schnittstelle, ADC und AMP sowie je nach Anwendung maximal 13 E/A-Einsteckkarten im Doppeleuropakarten-Format für bis zu 13x16= 208 Analogkanäle schnell mal 25.000 DM oder auch noch deutlich mehr fällig. Uns hat es gefreut, denn in der Regel kamen damit gleichzeitig größere, in Mannwochen zählende und sehr interessante und abwechslungsreiche Softwareprojekte auf uns zu. Bei besonders gut gelungenen Abschlüssen kam auch schon mal auf Kosten des Hauses eine Kiste Bier auf den Tisch, die dann von der kompletten, damals noch überschaubaren Belegschaft nach Feierabend in einem speziellen Kick-off-Meeting "getestet" wurde.

In der Industrie zuhause

Zum Einsatz kam die Spectra MS vorzugsweise im Prüfstandbereich großer Maschinenbauhersteller, Kraftwerksbetreiber und Forschungseinrichtungen. „Temperatur“ und „Druck“ sind in diesen Anwendungsbereichen die vorherrschenden Messgrößen. Insbesondere die exzellente Temperaturmessung per PT100 in 2-, 3- oder 4-Leitertechnik nebst sehr guter CJC-Kompensation machte die Spectra für Anwendungen attraktiv, bei denen Temperatur-Messwerte entweder sicherheitskritisch sind, z.B. bei Kern-/Kraftwerken, oder wo ein direkter Einfluss auf die Effizienz (Wirkungsgrad) der Maschinen gegeben ist, z.B. bei Gas- oder Wasserturbinen.

 

Prominente Kundenliste

Große Installationen mit jeweils hunderten von Messkanälen kamen bei traditionsreichen Unternehmen zum Einsatz: Im Turbinenprüfstand bei MAN-Energy Solutions (damals: Sulzer-Escher-Wyss) in Zürich, im Prüfstand für Schraubenkompressoren bei der GHH Rand in Oberhausen oder im Windkanal des Autozulieferers Behr GmbH in Stuttgart. Die Ingenieure von GKN in Neckarwestheim vertrauten ebenso auf die Zuverlässigkeit der Spectra MS wie etliche Forschungsinstitute, sei es die Universität Stuttgart, die TU Wien oder die Fraunhofer Gesellschaft.

 

Messtechnik mit Tradition

Mitte der 90er Jahre vollzog sich dann schrittweise zusammen mit der sich immer weiter durchsetzenden Netzwerktechnik ein Wandel weg von zentralen Messsystemen hin zu dezentralen Installationen mit kleineren und zugleich kostengünstigeren E/A-Modulen und -Systemen. Und obwohl dann auch eine Ethernet-Variante der Spectra, die Spectra „Node D und E“, herauskam, war die Hoch-Zeit des Spectra-Messsystems bis zur Jahrtausendwende vorüber.

 

Aber selbst heute im Jahre 2022 kenne ich noch zwei Installationen nebst ihren treuen System-Ingenieuren, in denen eine „Spectra“ nach dem Go-Befehl (;G <Return>) unermüdlich Kanal für Kanal abscannt und verlässlich Messwerte liefert - genau wie vor 40 Jahren.

Uwe Hollarek - Seit fast 40 Jahren bei Spectra als Automation Spezialist